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  • AutorenbildHans J. Betz

Moorbarone und Torfschifffahrt



Noch um 1900 gab es in den Niederlanden große Moorlandschaften (Veenen), die für die Gewinnung von Torf ausgebeutet wurden. Heute stehen die wenigen noch verbliebenen Moorgebiete unter Naturschutz. Während über 1000 Jahren war Torf in vielen Ländern ein wichtiger Brennstoff, so auch in den Niederlanden wo kurz nach dem 2. Weltkrieg Torf noch zu Heizzwecken verwendet wurde. Holz wurde vor allem für den Haus- und Schiffbau verwendet. „Moormenschen“, so wurden die Torfstecher genannt, gibt es heute keine mehr, denn Gas, Erdöl, Wind- und Atomkraft haben das ‚braune Gold“ für Heizzwecke überflüssig gemacht. Überliefert wurden hingegen Geschichten über Armut, Leid, Krankheit und Ungerechtigkeiten, die die Menschen rund um das Moor zu ertragen hatten.


Rund um 1900 erlebten die Moorbarone, vergleichbar mit Großgrundbesitzern, ihre große Blütezeit. Sie bestimmten nicht nur den Preis für Torf, sondern auch die Frachtraten für die Torfskipper. In den Provinzen Overijssel, Friesland, Drenthe und Groningen, aber auch im Süden und Westen des Landes gab es große Moorlandschaften., die rücksichtslos ausgebeutet wurden. Die Entstehung zahlreicher Kanäle die heute der Freizeitschifffahrt dienen, sind durch den Torfabbau entstanden. Legendär ist die Turfroute, ein Wasserweg der von Freizeitskippern oft und gerne genutzt wird. Der begehrte Brennstoff wurde mit Lastkähnen und Plattbodenschiffen den Verbrauchern zugeführt. An den durch den Torfabbau entstandenen Kanälen wurden Siedlungen errichtet, die im Laufe der Zeit zu großen Ortschaften heranwuchsen. Beispiele dafür sind Heerenveen, Hoogeveen, Klazinaveen, Vinkeveen oder Veendam, deren Bevölkerung in früheren Tagen hauptsächlich von der Torfstecherei lebten. Es war ein armseliges Leben, oftmals von Hunger begleitet, ein Leben in Abhängigkeit von den Moorbaronen. Letztere wohnten in stattlichen Herrenhäusern. Dicht daneben befand sich meist ein Gebäude, das von den engsten Vertrauten und deren Familien bewohnt wurde. Etwas weiter weg waren die Wohnstätten der Aufseher und die Behausungen der Moorstecher. Noch im 20. Jahrhundert gab es kein fließendes Wasser und man musste sich mit Kanalwasser waschen. Gewohnt wurde mit bis zu 10 Personen in einem Raum und einziger Reichtum war der Kinderreichtum. Der karge Lohn – auch Frauen und Kinder mussten mitarbeiten – reichte meist nicht einmal für das Nötigste und wurde einmal jährlich, meist um die Weihnachtszeit, ausbezahlt. Trotz Mühsal und Plackerei blieben manchmal nur Schulden übrig, denn übers Jahr musste in den Läden der Moorbarone eingekauft und angeschrieben werden. Der Moorbaron führte Buch, lieferte das Brot und auch den billigen Schnaps.


Die tägliche Arbeitszeit betrug 12 Stunden. Die krumme Haltung beim Torfstechen, die Feuchtigkeit im Moor und die mühsamen Verladearbeiten führten oft zu Krankheiten und zur Beendigung der Lohnfortzahlung. Es gab zwar Arbeitskämpfe, die jedoch durch den Einsatz von Polizei unterdrückt wurden. Die Kommunisten hatten deshalb anfangs der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts vor allem in Ost Groningen großen Zulauf. Noch heute werden in dieser Region vielfach linke Parteien bevorzugt.


Doch auch Schifferfamilien waren nicht auf Rosen gebettet. Sogar in den 30er Jahren hatten viele Frachtkähne noch keine Motoren. Vorwärts ging es nur mit Wind-, Pferde- oder Menschenkraft. Wenn sich die Schiffsleute keine Treidelpferde leisten konnten und der Schiffsmann keine Kraft mehr hatte, mussten Frauen und Kinder die schweren Kähne ziehen. Kinderarbeit war zwar in den Niederlanden seit 1900 verboten, die Wirklichkeit sah jedoch anders aus. Es gab auch ein Schulpflicht, die Schulzeit dauerte jedoch ähnlich wie bei den Kindern von Torfarbeitern, höchstens drei bis vier Jahre und umfasste etwas Rechnen, einige Buchstaben und die Bibel. Das war das Konzept das noch weit bis in das 20. Jahrhundert für billige Arbeitskräfte sorgte. Die 20 bis 30 m langen Kähne hatten im Heck eine etwa 20 m² großes Deckshaus, wo gegessen und geschlafen wurde. Im Schifffahrtsmuseum in Sneek befindet sich eine entsprechende Wohnung in Originalgröße. Um 1930 wurden zahlreiche Frachtkähne an Deck mit Glühkopfmotoren versehen, die seitlich mit einer Welle mit Schraube verbunden waren. Man muss sich das als eine Art Seitenbordmotor vorstellen. Außerdem kamen kleine Schubboote, sogenannte ‚Opduwer“ zum Einsatz, die die Arbeit der Schifferfamilien erleichterten. Diese Konstellationen hatten noch einen anderen Vorteil. Motorschiffe mussten höhere Schleusengebühren bezahlen. Da jedoch die „Seitenborder“ eingezogen und die Schubboote abgekoppelt werden konnten, galten die Frachtkähne als nicht motorisierte Schiffe. Der Niedergang der Torfschifffahrt zeichnete sich schon vor dem 1. Weltkrieg ab. Die Kriegsjahre sorgten zwar nochmals für einen Produktionsanstieg, da der Kohleimport stagnierte. Die Torfpreise stiegen um 250 Prozent und die Löhne um 285 Prozent. Doch nach dem 1. Weltkrieg ging es nur noch bergab und nach dem 2. Weltkrieg wurde der Torabbau und die Torfschifffahrt komplett eingestellt.


Und noch etwas das Freizeitskipper interessieren dürfte: Vor Jahrzehnten waren beliebte Wassersportreviere wie etwa die Kalenbergergracht oder die Region rund um Ossenzijl, durch Mücken verseucht. Daher auch der Name „Muggebeet’ (Mückenbiss) für dieses Gebiet im Steenwijkerland. Im so genannten „Buitencentrum“, einem Informationspunkt in Ossenzijl, kann man viel über die Region Weerribben-Wieden erfahren und im nahe gelegenen Jachthafen De Kluft findet man ausgezeichnete Liegeplätze und eine hervorragende Infrastruktur. Vor Ort gibt es auch einen Campingplatz, man kann Bungalows mieten und auch Kanus und Elektroboote stehen zur Verfügung.

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